„Der Mann gründet mit einem großen Stück seines Wesens in Gesetz und Regel. Was man ‚Form‘ nennen, in bestimmte Regeln fassen, in feste Ordnung einspannen kann, ist sein eigenstes Feld. Wohingegen die Frau für das offen steht, was im Leben treibt und drängt; für das Schwebende, Flutende; für die Kräfte, Zusammenhänge, Bedeutungen, die nicht in Regeln gebunden werden können; für das Rätselhafte, oft nur zu Ahnende.“
Ein solcher Satz, wie Romano Guardini ihn in einem Aufsatz von 1921 über „Frauenart und Frauensendung“ schrieb, kann heute gar nicht mehr gesagt werden. Längst ist das Diktum des kleinen oder großen Unterschieds zwischen den Geschlechtern einem umfassenden Diversitätsdenken gewichen. Trotzdem sind es nach wie vor vor allem Männer, die auf Podien sitzen, deren Expertise gefragt ist und die sich äußern dürfen, wenn es um Religion geht – und das gilt nicht nur im Dunstkreis der katholischen Kirche. Auch in den meisten anderen Weltreligionen sind vornehmlich Männer die geistigen und geistlichen Autoritäten – selbst im als progressiv geltenden Buddhismus. Besonders irritiert diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass Frauen seit jeher – so wie Guardini es in seinen oben zitierten Sätzen beschreibt – als jenes Geschlecht angesehen werden, das dem Transzendenten, dem Anderen, dem Kontingenten in größter Feinsinnigkeit verbunden ist.
Im ersten Guardini Salon 2020 wollen wir diesem Paradox nachspüren. Was ist dran an der Mär von der besonders reinen und spirituellen weiblichen Religiosität? Gibt es einen weiblichen Blick auf Religion? Sind Frauen am Ende tatsächlich die besseren Gläubigen? Und falls ja, warum bekleiden sie dann gerade in der katholischen Kirche, in der die Gottesmutter so innig verehrt wird, keine geistlichen Ämter? Oder müssen wir das Denken in Geschlechterkategorien auch im Bereich des Religiösen ganz abschaffen?
Auf dem blauen Sofa kommen am 12. Februar 2020 die Schauspielerin Corinna Kirchhoff und die katalanische Benediktinerschwester Teresa Forcades i Vila miteinander ins Gespräch. Die Katholikin Corinna Kirchhoff wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, spielte auf beinahe allen großen Bühnen im deutschen Sprachraum und wirkte an zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mit. Gegenwärtig ist sie Ensemblemitglied des BE am Schiffbauerdamm. Bevor Teresa Forcades i Vila sich für ein Leben im Kloster entschied, war sie Ärztin und studierte Theologie in Harvard. Sie gilt als feministische Theologin und ist seit 2009 Gastprofessorin am Lehrstuhl für Theologie und Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin. Musikalisch begleitet wird der Abend vom Instrumentalduo Tango Element Project.
Wann? 12. Februar 2020 | 19:00 Uhr
Wo? Guardini Galerie, Askanischer Platz 4, 10963 Berlin
Wer? Zu Gast: Corinna Kirchhoff und Teresa Forcades i Vila | Musik: Tango Element Project (Gitarre: Tina Klement; Akkordeon: Barbara Klaus-Cosca) | Moderation: Andreas Öhler
Titelbild: Grafikdesign Anja Matzkar
Teaser: Jean Fouquet, Diptychon von Meulen, rechter Flügel: Thronende Madonna mit dem Christuskind (Ausschnitt)
12. Februar 2020
19:00 Uhr