Rückblick | Guardini-Tag 2019

Abb.: Goran Djurovic, Melancholia, 2007, Detail | Foto: Henry M. Linder | Grafikdesign: Anja Matzker

Rückblick | Guardini-Tag 2019 – „Vom Sinn der Schwermut“

Der Guardini-Tag 2019 am 24. bis 26. Januar war der 1928 verfassten Schrift Romano Guardinis „Vom Sinn der Schwermut“ gewidmet. „Die Schwermut ist etwas zu Schmerzliches, und sie reicht zu tief in die Wurzeln unseres menschlichen Daseins hinab, als dass wir sie den Psychiatern überlassen dürfen.“, lautet der berühmt gewordene erste Satz dieses Textes. Schon dieser Satz lässt erahnen, dass Guardini die Schwermut, von der er selbst Zeit seines Lebens heimgesucht wurde, nicht auf ein psychologisches Phänomen, eine Erkrankung reduziert, sondern eine ganze Anthropologie des mit der Endlichkeit konfrontierten Menschen daraus ableitet. Dabei verteufelt er keineswegs die (analytische) Psychologie mit ihrer Suche nach wirksamen Behandlungsmethoden, sondern kultiviert – wie in allen Belangen – seinen „Blick aufs Ganze“.

Zum Beginn der Tagung feierte Alfons Knoll unter Mitwirkung von Johannes Modesto als Kantor, Wolfgang Bretschneider an der Orgel und Pater Philemon Dollinger OCist sowie Marc Grießer als Ko-Zelebranten einen Gedenkgottesdienst zu Ehren Romano Guardinis in der Kirche St. Clemens. Den Auftakt in der benachbarten Guardini Galerie bestritt der Schriftsteller Artur Becker mit einem einerseits autobiographisch-literarischen und andererseits philosophischen Essay über seine persönliche Beschäftigung mit Guardinis Text. Eine rege Diskussion entwickelte sich im Nachgang mit dem Guardini Professor Ugo Perone und Ludger Hagedorn unter der Moderation von Andreas Öhler. Den Hauptteil der Tagung eröffnete die italienische Guardini-Forscherin Giuliana Fabris, gefolgt von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Beide Wissenschaftlerinnen bezogen in ihre Interpretationen der Schwermut-Schrift verstärkt Guardinis Theorie vom Gegensatz („Der Gegensatz“, 1925) mit ein. Vor und nach der Mittagspause stellten drei junge Wissenschaftler ihre Ansätze vor: Marc Grießer, Michaela Starosciak und Pater Philemon Dollinger OCist. In den späten Nachmittagsstunden sprach schließlich der analytische Philosoph Godehard Brüntrup SJ über die Schwermut als treueste Geliebte Kierkegaards. Der Beitrag des Phänomenologen und Hermeneutikers Jean Greisch über die Geschichte der Phänomenalisierung der Melancholie bildete den Abschluss. Abgerundet wurde die Tagung durch eine Führung von Bernd Wolfgang Lindemann durch die Staatliche Gemäldegalerie auf der Suche nach den Spuren der Schwermut in der bildenden Kunst.

Wie in den vergangenen Jahren war der Guardini-Tag ein Forum für renommierte Experten und Nachwuchsforscher, die sich über aktuelle Positionen in der Guardini-Forschung austauschten. Guardinis eigenem Ansatz gemäß ging das Besprochene und Referierte aber weit über die Grenzen des Wissenschaftlichen hinaus: So befragte Artur Becker sich selbst, ob er nicht zu den von Guardini kritisch betrachteten Romantikern gehöre, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz gab – vor dem Hintergrund der Gegensatz-Theorie – zu bedenken, dass Krisen nicht lösbar seien, sondern durchgestanden werden müssten, Godehard Brüntrup berichtete bewegend von seiner Begegnung mit Gott nach existentiellen Krisensituation und Jean Greisch rezitierte Lyrik aus verschiedenen Epochen. In diesem Sinne kultivierten die Teilnehmer der Tagung im Geiste Romano Guardinis den „Blick aufs Ganze“.

Rückblick | Guardini-Tag 2019 – Guardini Stiftung e.V.

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