Guardini akut | Interview mit Alma Buddecke

Guardini akut | KW 31/2020

„Nähe und Intimität sind wichtig, um Geschichten zu erzählen“

Ein Gespräch mit der Filmstudierenden Alma Buddecke über ihre Arbeit vor, während und nach der Coronakrise, Abstandsregeln und Hygienebeauftragte am Set und die Bedeutung von Intimität für das Erzählen von Geschichten
Von Patricia Löwe

Du bist Filmemacherin. Woran arbeitest Du gerade?

Ich arbeite im Augenblick parallel an mehreren Projekten, die sich alle in unterschiedlichen Stadien befinden. Zwei Projekte sind in der Postproduktion, das heißt der Dreh ist abgeschlossen und aus dem Material entsteht nun ein Film. In einem der beiden geht es um eine Schwesternbeziehung und um Waffen. Im zweiten Projekt wird die Frage aufgeworfen, warum Menschen es so oft nicht schaffen, Dinge zu ändern, die sie eigentlich ändern wollen – sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft. Ende August findet der Dreh des dritten Projekts statt, an dem ich gerade arbeite. Das ist eine Co-Produktion mit der Deutschen Filmakademie im Auftrag des Auswärtigen Amtes anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. In diesem Film wird es um Frauenrechte in Europa und die privilegierte europäische Frau gehen.

Wie umfangreich sind diese Projekte?

All meine aktuellen Projekte sind Kurzfilme. Ich studiere im dritten Jahr an der Filmakademie Baden-Württemberg Film und Medien mit Schwerpunkt Drehbuch. Die allermeisten szenischen Filme, die wir im Rahmen unseres Studiums realisieren, sind kurze und mittellange Filme. Langfilme kosten ungeheuer viel Geld und sind sehr aufwändig.

Du bist Drehbuchstudierende, übernimmst aber bei den meisten Filmen, die Du machst, mehrere Aufgaben. Wie kommt das?

Hauptsächlich schreibe ich die Drehbücher und führe Regie – ich habe auch schon als Teil eines Regie-Duos gearbeitet. Mitunter kümmere ich mich manchmal aber auch um das Szenenbild oder die Kostüme. Das liegt daran, dass wir meistens Low-budget-Projekte realisieren und es verständlicherweise manchmal schwer ist, Teammitglieder zu finden, die Zeit haben und bereit sind, praktisch umsonst zu arbeiten. Natürlich greifen wir häufig auf Kommiliton*innen aus den entsprechenden Gewerken zurück, übernehmen manchmal aber auch ’studiengangfremde‘ Aufgaben einfach selbst, falls es schwierig ist, die Wo*manpower zu finden.

Welche Themen beschäftigen Dich besonders?

Ich habe großen Spaß daran, Frauen in Rollen zu stecken, die leider eher nicht weiblich konnotiert sind. Man könnte sagen, ich habe eine feministische Haltung beim Filmemachen.

In Deinem Kurzfilm „Hotdog“ geht es – ganz physisch – um das weibliche Geschlecht. Dieses Thema anzugehen, finde ich ziemlich mutig…

Wir haben mal bei einem Festival den „Award für den mutigsten Film“ bekommen. Natürlich haben wir uns darüber gefreut. Andererseits finde ich uns gar nicht so mutig. Wir reden hier schließlich über einen Körperteil, den fünfzig Prozent von uns selbst besitzen. Und wir alle sind durch eine Vagina auf die Welt gekommen. So extrem ist das also nicht!

Wie hat sich das Studieren an der Filmhochschule seit Beginn der Coronakrise verändert?

Wir haben seit Ende März Unterricht per Zoom. Die Filmakademie ist größtenteils geschlossen. Inzwischen dürfen wir wieder unter strengen Auflagen in die Schnitträume und die Räume für Sounddesign. Besonders fehlt das ausgeprägte Campusleben. Gerade für diejenigen, die gerade erst angefangen haben, hier zu studieren, ist das schade, weil sie schwieriger Netzwerke bilden können. Und natürlich hatten alle Probleme, an ihren Projekten weiterzuarbeiten.

Entsteht durch die Coronakrise eine neue Art des Filmemachens?

Alles ist komplizierter und teurer geworden und dauert länger. Wir müssen uns an die Abstandsregeln halten. Sofern wir in geschlossenen Räumen drehen, braucht jede Person mehrere Quadratmeter für sich, sodass immer nur wenige Menschen am Set sein können, je nach Motivgröße eben. Aber schon auf dem Weg zum Drehort beginnen die Probleme: In jedes Auto dürfen nur zwei Personen steigen. Das heißt, man benötigt einen ganzen Fuhrpark, um das komplette Team ans Set zu bringen. Jeder Dreh braucht außerdem eine*n Hygienebeauftragte*n, die*der immer anwesend sein und darauf achten muss, dass die Regeln eingehalten werden.

Die meisten verlegen ihre Drehs nach draußen – da ist es viel leichter, Abstand zu halten. Wir halten unser Team möglichst klein. Natürlich kann man mit mehr Crewmitgliedern mehr machen und alles geht schneller. Andererseits ist das Arbeiten mit wenigen Beteiligten sehr viel familiärer und dadurch manchmal auch entspannter.

Wie läuft das vor der Kamera? Müssen auch die Schauspieler*innen sich an Abstandsregeln halten?

Es gibt zwei Szenarien: Entweder gehören die Schauspieler*innen alle zu einem Haushalt und dürfen einander näherkommen und sich berühren. Oder sie müssen vor dem Dreh zwei Wochen Quarantäne einhalten beziehungsweise bei kürzerer Quarantäne einen Covid-Test machen lassen. Niemand begibt sich freiwillig für ein studentisches Projekt über so einen langen Zeitraum in Quarantäne und die Tests kosten die Produktion zusätzliches Geld. Im Augenblick hoffe ich also, dass sich bis zu meinem nächsten Dreh Ende August die Regeln gelockert haben werden. Wir planen aber natürlich gerade mit den bestehenden Vorgaben.

Gibt es seit neuestem „Coronanarrative“ in Drehbüchern?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in den nächsten Jahren viele Filme und Serien über Seuchen, Pandemien, Dystopien und Apokalypsen geben wird. Und natürlich beeinflussen auch das Kontaktverbot und die Hygieneregeln die Szenen, die gedreht werden. Ich glaube aber, das wird sich sehr schnell wieder ändern, wenn die Maßnahmen gelockert werden. Nähe und Intimität sind ungeheuer wichtig, um Geschichten erzählen zu können.


Alma Buddecke wuchs in der Schweiz und in Deutschland auf und lebte als Austauschschülerin ein Jahr in den USA. Sie begann ein Psychologiestudium an der Freien Universität Berlin, bevor sie sich vermehrt aufs Filmemachen konzentrierte. Seit 2017 studiert sie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Im letzten Jahr lebte sie für einige Monate in Paris und studierte dort an der La Fémis Filmhochschule. Ihr erster Kurzfilm „Hot Dog“, den sie als Teil eines Regie-Duos realisierte, lief unter anderem auf dem Sundance Film Festival, dem Filmfestival Max Ophüls Preis und dem Internationalen Kurzfilmfestival Clermont-Ferrand.

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