Guardini Akut | Der Weg zur Heilung

Guardini Akut | KW 49/2020

Der Weg zur Heilung

Bei der Planung der Zukunft muss das Wesen der Dinge und Subjekte, mit denen geplant wird, berücksichtigt werden. Sonst bereiten die Planenden eine Katastrophe vor.
Von Anna Wieluniecka

Die Coronapandemie hat bei den Menschen Zukunftsängste hervorgerufen. Abgesehen von den vielen direkten Auswirkungen hat der Ausbruch der Covid-19-Pandemie auch deutlich gemacht, dass unser Leben von vielen Bedrohungen und Krisen betroffen ist, die aufgrund des Ausmaßes und der Dynamik ihrer Ausbreitung bereits Pandemien zu sein scheinen – sie nehmen die Form von Persönlichkeits-, Familien- und Sozialkrisen an. Dies wirft Fragen auf: Wie soll man weiterleben? Wie soll man einen Weg zur Heilung finden? Wie soll man die Auswege aus diesen Krisen planen?

Romano Guardini, der große Theologe wie auch Diagnostiker und Prognostiker, schrieb, dass man auf der Suche nach Auswegen und der Lebensausrichtung daran denken soll, dass das Suchen sein Ziel nicht aus sich selbst herausfindet: „[…] es steht […] mitsamt dem Menschendasein in der Verworrenheit. Darum bedarf es der Offenbarung und Erlösung und findet seinen Weg erst im Glauben.“ (Freiheit – Gnade – Schicksal, München 1949, 112) So befreit nur der Glaube das Suchen von der Verworrenheit. Nur der Glaube ist die Grundlage für die richtige Gestaltung der Zukunft – mit einem richtigen Verständnis des Menschen und seiner Existenz. Und deshalb braucht Zukunftsplanung die geeigneten Voraussetzungen. „‚Planung‘ aber bedeutet nicht nur, daß die politischen, wirtschaftlichen, soziologischen Möglichkeiten richtig festgestellt und verwendet werden, sondern auch, daß man nach den Voraussetzungen aller Richtigkeit fragt. Deren erste besteht in der Urwahrheit, daß der Mensch wohl, als Ebenbild Gottes, fähig ist, über die Welt zu herrschen (Gen 1,26), aber im Gehorsam gegen den Herrn alles Geschaffenen.“ (Freiheit – Gnade – Schicksal, München 1949, 108) Die Anerkennung der Wahrheit über den Menschen, dass er nur als ein Wesen in Beziehung zu Gott existiert, ist der Ausgangspunkt für alle Entscheidungen. Die Wahrheit anzunehmen ist entscheidend – ohne sie verliert jede Planung ihren Realismus. Planung kann also nicht auf Willkür oder Eigenmächtigkeit beruhen. Wie also soll man die Zukunft planen? Guardini gibt folgendes Rezept: „Der Mensch muß das volle Maß seiner Verantwortung kennen und auf sich nehmen. Um das aber zu können, muß er wieder das richtige Verhältnis zur Wahrheit der Dinge, zu den Forderungen seines tiefsten Innern und, letztlich, zu Gott gewinnen. Sonst verfällt er seiner eigenen Macht, und die ‚globale Katastrophe‘ […] wird unausweichlich.“ (Die Macht, Paderborn 2016, 177) Wenn es um die Beziehung zu Gott und um das menschliche Innere geht, ist die grundlegende Rolle des Gebets und der Askese wesentlich. Durch das Gebet gewinnt das Dasein seine Ordnung und durch die Askese wird das innere Unrecht des Menschen überwunden (vgl. Die Macht, Paderborn 2016, 181-184). Wenn es um Dinge geht, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass sie ihr Wesen haben. Wenn die Wesensgesetze der Dinge verstoßen werden, wird Widerstand ausgelöst, gegen den kein menschlicher Druck etwas bewirken kann. „Wirklichkeit sperrt sich dann gegen den menschlichen Griff. […] Man kann mit den Dingen nicht umgehen, wie man will, […] sondern nur so, wie es ihrem Wesen entspricht, sonst bereitet man Katastrophen vor.“ (Die Macht, Paderborn 2016, 182)

Was muss also bei der Suche nach Wegen zur Heilung heute in Betracht gezogen werden? Viele der Erscheinungsformen der gegenwärtigen Krisen wurden in die Entwicklungskosten der Zivilisation einbezogen und ihre Ursachen bleiben im Verborgenen. Ihre Sichtbarkeit wird nur dann wiederhergestellt, wenn das ganze menschliche Leben im Glauben betrachtet wird. Danach zeigt sich, dass, wenn die Beziehung der Menschen zu Gott erschüttert wird, wenn das Leben an einigen „Orten“ nicht mehr auf Glauben beruht, diese auf den ersten Blick nicht sichtbaren „Orte“ zur Quelle persönlicher, familiärer und sozialer Krisen werden.

Es ist nur dann möglich, einen Weg zur Überwindung dieser Krisen zu finden, wenn die Wahrheit über die Beziehung des Menschen zur Welt und zu Gott bei der Planung der Zukunft berücksichtigt wird. Dann wird die Angst vor der Zukunft durch Hoffnung ersetzt.


Dr. Anna Wieluniecka studierte an der Schlesischen Universität in Kattowitz Katholische Theologie und wurde dort zum Thema „Romano Guardinis Konzeption der Sünde“ promoviert. Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist die theologische Anthropologie.

Kategorien: