Seligsprechungsverfahren für Romano Guardini

Seligsprechungsverfahren für Romano Guardini (17.02.1885 – 01.10.1968)

Am 1. Oktober 2018 jährte sich zum 50. Mal der Todestag des berühmten katholischen Priesters und Religionsphilosophen Prof. Dr. Romano Guardini. Aus diesem Anlass möchte ich in meiner Eigenschaft als Postulator für das Seligsprechungsverfahren für den Diener Gottes Romano Guardini in der gebotenen Kürze die wichtigsten Stationen eines solchen Prozesses skizzieren.

Grundvoraussetzung für ein Seligsprechungsverfahren für  einen Bekenner/Konfessor, also jemanden, der nicht das Martyrium um des Glaubens willen erlitten hat, ist „ der Ruf der Heiligkeit“ (fama sanctitatis), den die betreffende Person unter den Gläubigen besitzen muss. Da dies in München bei Romano Guardini auf Grund seines langen dortigen Wirkens der Fall ist, hat sich der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, auf Grund von zahlreichen Eingaben und Bitten entschieden, eine Seligsprechung für Guardini in Gang zu setzen und hierfür die Rolle des Actors übernommen. Daraufhin wurde ich von ihm zu Postulator ernannt, dessen Aufgabe es ist, für die kanonisch korrekte Durchführung des Seligsprechungsverfahrens Sorge zu tragen.

Der Postulator sucht nach Zeugen, die Guardini entweder noch persönlich kannten oder sich intensiv mit ihm beschäftigen, um sie von einem Kirchengericht vernehmen zu lassen. Sie müssen dann Aussagen treffen, inwieweit nach ihrer Meinung Romano Guardini die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe (fides, spes, caritas) sowie die vier Kardinaltugenden Klugheit, Mäßigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit (prudentia, temperantia, fortitudo, iustitia) in überdurchschnittlicher Weise gelebt hat (Feststellung des „heroischen Tugendgrades“). Die dafür nötigen Richter und Notare wurden von Herrn Kardinal bei der Eröffnung des Seligsprechungsprozesses, die am 16. Dezember 2017 im Münchener Dom im Rahmen einer Liturgie stattgefunden hat, öffentlich ernannt und vereidigt.

Neben der Beweisaufnahme durch Zeugen steht noch die Beweisaufnahme durch schriftliche Dokumente, also durch veröffentlichte und unveröffentlichte Dokumente aus. Die Mitglieder der sog. Historischen Kommission forschen nach den unveröffentlichten Dokumenten in den infrage kommenden Archiven, die Theologischen Gutachter bewerten alle schriftlichen Dokumente auf Glauben und Sitten. Diese Recherche und Bewertungsarbeit nimmt verständlicherweise sehr viel Zeit in Anspruch, gerade bei dem schriftstellerisch ungemein produktiven Romano Guardini.

Nach Abschluss dieser Arbeiten werden die Vernehmungsprotokolle, alle recherchierten Dokumente sowie die Gutachten der Historischen Kommission sowie der Theologen vorschriftsgemäß nach Rom geschickt. Damit endet die diözesane Phase und es beginnt die Römische Phase.

In der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen in Rom wird geprüft, ob die Unterlagen vollständig vorhanden und korrekt nach den kanonischen Vorschriften erhoben wurden. Danach erfolgt die inhaltliche Prüfung.

Der Postulator muss eine „Positio“ nach vorgegebener Gliederung zu der Causa Guardini verfassen, in der sämtliche Dokumente eingearbeitet werden. Die Positio wird in Rom unter Aufsicht der Kongregation erstellt, wobei die Historiker und Theologen der Kongregation noch ggf. Einwände und Ergänzungen einbringen.

Nach Fertigstellung wird die Positio dann der Vollversammlung der Kongregation vorgelegt, die dann ein endgültiges Votum abgibt. Dieses Votum legt der Präfekt der Kongregation dem Heiligen Vater vor, der dann das Dekret über den heroischen Tugendgrad unterschreibt.

Für Romano Guardini als Bekenner ist (im Gegensatz zu Märtyrerinnen und Märtyrer) zur Seligsprechung noch ein Wunder als göttliche Bestätigung des heroischen Tugendgrades erforderlich.
Nach jetzigem Stand hat sich ein mutmaßliches Heilungswunder auf die Fürsprache des Dieners Gottes Romano Guardini in Verona, seiner Geburtsstadt, ereignet. Der dortige Bischof eröffnet einen Prozess über ein mutmaßliches Wunder, ernennt und vereidigt zwei Vernehmungsrichter, einen Arzt/eine Ärztin und einen Notar/eine Notarin, die entsprechende Zeugen vernehmen; die geheilte Person wird von zwei unabhängigen Ärzten untersucht.

Alle Beweismittel (Krankenakten, Vernehmungsprotokolle, Untersuchungsergebnisse) gehen nach Abschluss der diözesanen Phase nach Rom in die Kongregation, wo eine Ärztekommission ein endgültiges Urteil fällt, ob die vier Kriterien für ein mutmaßliches Wunder (ganzheitliche Heilung, andauernde Heilung, ungewöhnlich schnelle Heilung, wissenschaftlich nicht erklärbare Heilung) vorliegen. Auch hierzu wird eine Positio in Rom vom Postulator verfasst.

Nach positivem Votum der Ärztekommission stellen die Theologen anhand der vorhandenen Beweismittel fest, ob die Heilung auch wirklich auf Fürsprache des Dieners Gottes Romano Guardini erfolgt ist. Erst dann kann das Dekret zur Anerkennung des Wunders dem Papst zur endgültigen Unterschrift vorgelegt werden.

Nach Erstellung der liturgischen Texte für den Gedenktag des neuen Seligen (Messbuch und Lektionar für das kirchliche Stundengebet) kann dann die Seligsprechung in der Diözese, die den Prozess eröffnet hat, durch den Präfekt der Kongregation in einem feierlichen Gottesdienst in der Kathedrale erfolgen.

Dr. Johannes Modesto
Pastoralreferent
Postulator für die Seligsprechung von Romano Guardini, Fritz Michael Gerlich und Willi Graf
Foto: Copyright EOM/R. Kiderle
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